Mitten in Kroatien
19.07.2005

Die Uhr steht bei 1:49 Uhr. Ein Teil der Digitalanzeige ist kaputt und so besteht die "4" nur aus einem langen und einem kurzen Strich. Das rote Blinken der Doppelpunkte erhellt Teile des Busses.

NächtlicheStille hat sich über die Sitzreihen gelegt. Nur hinten tuscheln zwei Stimmen miteinander. Erste Paare haben sich schon kurz nach Reisebeginn herausgebildet. Der Schlaf hat sich schwer auf ihre Lider gelegt. Nun sitzen sie aneinandergekuschelt zwischen Schlaf und Tagtraum.

Am Horizont tauchen ab und zu helle Lichter auf, Fragmente von Städten, Dörfern, Ansiedlungen. Fremd scheint das Land in Dunkelheit getaucht. Am Straßenrand könnten Armeen von Kriegern stehen, wir würden sie nicht bemerken. Nur Abschnitte der kroatischen Autobahn sind beleuchtet, aber auch das fahle Licht der Straßenlaternen gibt wenig Einblicke in die kahle Landschaft.

Die Luft riecht verbraucht, schmeckt leicht metallen. Das Brummen der Klimaanlage fällt nur noch auf, wenn es nicht mehr da ist. Und der Bus fährt. Unaufhaltsam Richtung Sarajevo. Jeder Meter ein Stück Geschichte. Und wir mittendrin.

Erste Reportagen wurden schon begonnen, Unmengen digitaler Fotospeicher für die vergangen Stunden verbraucht. Ausgestattet mit allem, was nötig ist, um mehr zu erfahren über die Menschen, die hier, vor unserer Haustür starben, als wir noch Kinder waren. Wie vermessen vom Westen, von uns, erst jetzt Interesse zu zeigen. Menschen sind nicht wichtig, Öl ist es, das haben wir gelernt, verinnerlicht. Wir suchen Menschen, die uns eines Besseren belehren, wollen mehr wissen, mehr tun. Jeder auf seine Weise.

Die Uhr zeigt 2:27 Uhr In drei Stunden wird es hell sein, wird die Realität die Vergangenheit Preis geben. Müdigkeit liegt schwer auf den Lidern.

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